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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Katholikentag: Christ trifft Christ von Christine Straßer

Regensburg (ots)

Seit Jahren kommen die Kirchen bei einer Annäherung nicht voran. Dank Papst Franziskus keimt Hoffnung.

Ein evangelischer Bundespastor und eine evangelische Bundesmutti sind die Stars auf dem 99. Katholikentag. Das allein ist ein Triumph über jene separatistischen Kleriker, die von Kirchenspaltung sprechen, wenn sie Reformation meinen. Diese Kleriker waren pikiert über einen Youtube-Clip von Papst Franziskus, der im Februar für Aufsehen sorgte. Gedreht hat die Grußbotschaft ein Bischof der evangelikalen Pfingstler-Bewegung, der auch ein alter Bekannter des Papstes aus seiner Zeit in Buenos Aires ist. Die Bilder sind verwackelt, doch die Botschaft verfängt. Franziskus äußert seinen Wunsch zur Einheit mit allen Christen und macht die katholische Kirche für Spaltungen mitverantwortlich. Sensationelle Sätze. So mancher Vertreter der katholischen Kirche in Rom will wohl auch deshalb keine Ökumene, weil sonst wieder unbeantwortete Fragen auf den Tisch kommen, die schon der - damals noch katholische - Mönch Martin Luther seiner Kirche stellte: Wie viel Obrigkeit verträgt ein Christ? Was, wenn die Gemeinde anders glaubt als ihre Oberhirten? Es ist ja nicht so, dass bei Themen wie Frauenpriestertum, Zölibat, Umgang mit Homosexuellen sowie beim Kirchenverständnis lediglich Unterschiede zu den protestantischen Kirchen bestehen. Diese Spannungen bestehen auch innerhalb der katholischen Kirche, sie zerreißen so manchen Gläubigen innerlich. In Rom gibt es heftigen Widerstand gegen ein vereintes Nachdenken über die Zukunft des Christentums und folglich der Welt. Wenn aber Papst Franziskus - wie er es in den vergangenen Monaten getan hat - die Ökumene mit den Protestanten und den Orthodoxen stärkt, ohne ihnen wie üblich Bedingungen zu diktieren, dann wird es schwierig, verfeindet zu bleiben. Dann kann man gewisse Zukunftsfragen bald nicht mehr getrennt besprechen: Wie viel Toleranz verträgt der Glaube? Wie viel politische Deutungsmacht soll die Kirche haben in einem modernen Staat? Zu sagen, dass ein einfacher Mönch aus Wittenberg die Kirche, die eine, heilige, gespalten hätte, wäre zu simpel. Sie wurde gespalten auch vom Hochmut des katholischen Katholizismus, von ihrem dogmatischem Stolz und dem Anspruch, die einzig wahre Kirche zu sein. Ein halbes Jahrtausend währt die Kirchenspaltung nun schon, weil im Wettstreit der Kirchen der Blick auf den Wesenskern verloren gegangen ist: Eigentlich ist die Kirche der Ort für alle, die an Gott glauben. Es wird dort geholfen, geheilt, gefeiert und zugehört. Es wird auch gelogen, hintergangen und missbraucht. Die wenigsten Funktionäre der Kirche sind Heilige. Kirchen sind nicht der Himmel. Aber Kirchen sind, wenn es gutgeht, Räume für Barmherzigkeit und Vertrauen. Das macht sie so bedeutsam. Immer wieder bekräftigen Katholiken und Protestanten ihr gutes Verhältnis zueinander. Ökumene wird ja längst gelebt in Familien und in Gemeinden. Doch spricht man mit geistlichen Würdenträgern, hört man schnell von Schwierigkeiten im Zusammenleben der Konfessionen. Seit dem Ökumenischen Kirchentag 2010 hat sich wenig bewegt. Große Schlagzeilen machte die Ökumene zuletzt 2012. Damals rief eine Gruppe vor allem politisch Prominenter die Parole "Ökumene jetzt!" aus. Doch der Ruf verhallte weitgehend ungehört. Dabei gäbe es gute Gründe für die Kirchen, ihre Distanzen zu überwinden und zusammen christliche Werte zu vertreten. Selbst auf dem Land fallen nicht mehr diejenigen auf, die der Kirche fern bleiben, sondern diejenigen, die regelmäßig den Gottesdienst besuchen. Bleibt das so, gehen die katholische und die protestantische Kirche in Deutschland vielleicht nur einen gemeinsamen Weg: den schrumpfender Mitgliederzahlen.

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