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Mittelbayerische Zeitung: Kabuls wichtigste Wahl
Der neue afghanische Präsident wird Unterstützung brauchen - auch aus Deutschland. Leitartikel von Martin Anton

Regensburg (ots)

Seit dem Abzug der Bundeswehr aus Kunduz hat das Interesse an Afghanistan in Deutschland deutlich abgenommen. Ob es eine Nachricht aus Kabul in die Medien schafft, hängt davon ab, wie viele Menschen gestorben sind - und vor allem welcher Nationalität. Zur Präsidentenwahl am Samstag schaut die Welt noch einmal auf das kriegsgebeutelte Land am Hindukusch. Es ist die bisher wichtigste Abstimmung für das Land. Denn, um gleich einmal die positiven Nachrichten zu vermelden: Wenn im Mai der neue Präsident Afghanistans vereidigt wird, ist dies gleichzeitig die erste demokratische Machtübergabe in der Geschichte des Landes. Dazu gehört die ebenfalls gute Nachricht, dass Präsident Karsai davon abgesehen hat, noch einmal zu kandidieren. Laut Verfassung durfte er zwar ohnehin nicht noch einmal antreten. Trotzdem gab es Befürchtungen, dass der umstrittene Präsident an seinem Posten hängen würde. Nach wie vor wird vermutet, dass Karsai auch nach den Wahlen großen Einfluss auf die afghanische Politik ausüben wird - besonders dann, wenn sein enger Vertrauter Salmai Rassul die Wahl gewinnen sollte. Dabei, da sind sich die Medien einig, ist es gar nicht so wichtig, wer die Wahl tatsächlich gewinnt. Hauptsache, so der Tenor, die Wahlen sind sicher und fair. Die Taliban boykottieren die Abstimmung und radikale Elemente warnten bereits: Niemand, der zur Wahl geht, ist seines Lebens sicher. In den vergangenen Wochen haben die Taliban zahlreiche Anschläge verübt, bei denen mehrere Menschen starben. Ziele waren nicht nur das Büro der Wahlkommission und das Restaurant des bei internationalen Gästen berühmten Serena Hotel in Kabul, sondern auch Politiker in den übrigen Provinzen, in denen am Wochenende neue Provinzräte gewählt werden. In Khanabad, 25 Kilometer östlich vom ehemaligen Bundeswehrfeldlager in Kunduz starb Mitte Februar ein Zivilist bei einem Selbstmordanschlag, acht weitere wurden verletzt. In der nördlichen Provinz Sar-i-Pul wurde ein Kandidat für die Provinzratswahlen sowie acht seiner Begleiter verschleppt und getötet. Am Freitag wurde dann die Fotojournalistin und Pulitzerpreisträgerin Anja Niedringhaus von einem Polizisten in der östlichen Provinz Chost erschossen, ihre Begleiterin schwer verletzt. Die Taliban verbreiten vor den Wahlen eine Atmosphäre der Angst. Dass dadurch auch die Wahlbeobachter ihre Arbeit nicht im gewünschten Maße ausführen können, bedroht die Transparenz der Wahl. Trotzdem zeichnete sich schon vor dem Wochenende ab, dass viele Afghanen an den Wahllokalen Schlange stehen werden. Für wen sie auch abstimmen, eines scheint vor der Wahl tatsächlich bereits sicher: Alle Kandidaten haben versprochen, die zuletzt stockenden Gespräche über eine Nato-Folgemission weiterführen zu wollen. Den neuen Präsidenten erwarten viele Aufgaben. Denn nicht nur in den Wochen vor der Wahl ist die Gewalt im Land gestiegen. Der Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan über der Schutz von Zivilisten zeigt für 2013 einen Anstieg von 13 Prozent bei zivilen Opfern. In den ersten Monate 2014 steigert sich die Gewalt gegen Frauen und Kinder abermals. Der Drogenhandel floriert, die Wirtschaft hat keine stabile Grundlage und nur bei der Korruption liegt Afghanistan bei Länderrankings weit vorne. Die Nato-Staaten, die sich 2001 so überstürzt ihre Aufmerksamkeit auf Afghanistan lenkten, dürfen jetzt nicht so tun, als ob sie das Land nichts mehr angeht - auch wenn ihre Soldaten nicht mehr am Hindukusch sterben.

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