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Mittelbayerische Zeitung: Doppelpass im Abseits
Der Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft wurde nur vertagt. Eine glaubhafte Lösung muss her. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Wer mal so richtig auf die Pauke hauen will, der sollte zumindest nicht den Schlegel aus der Hand fallen lassen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte am Freitag eigentlich im Bundesrat zu einer Generalabrechnung mit der Großkoalition in Berlin ansetzen. Die angesetzte Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft in der Länderkammer sollte die geeignete Bühne für die Brandrede des Grünen sein. Doch Pustekuchen. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der erkrankte grüne Landesvater kam gar nicht erst zur Sitzung. Und die anderen hatten auch keine Lust zum Streiten. Der Antrag von drei rot-grün regierten Ländern wurde dann auch rasch sang- und klanglos in den Tiefen der Ausschüsse des Bundesrates versenkt. Damit wurde das strittige Thema um die doppelte Staatsbürgerschaft für hier geborene Kinder ausländischer Eltern, genauer von Nicht-EU-Bürgern, allerdings nur vertagt, nicht etwa beigelegt. Fußballerisch gesprochen wurde der Doppelpass erst einmal ins Abseits geschlagen. Das soll vorkommen, in der Politik wie auf dem grünen Rasen. Vor allem dann, wenn ein Mitspieler zu rasch vorprescht. Kenner der Abseitsregel wissen Bescheid. Im Kern hat das politische Doppelpass-Problem zwei Seiten. Die eine berührt das grundsätzliche Verhältnis von Bund und Ländern. Bindet etwa ein Koalitionsvertrag im Bund auch die an einer Landesregierung beteiligte Partei? Anders gefragt, darf die ins Berliner Koalitionsgeschirr eingebundene SPD in Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Hamburg gegen die schwarz-rote Großkoalition aufbegehren oder nicht? Im Fall der im weiß-blauen Freistaat allein regierenden Christsozialen würde eine solche Frage übrigens als unbotmäßig vom Tisch gefegt. Horst Seehofer schert sich bisweilen herzlich wenig um schwarz-rote Berliner Beschlüsse und Befindlichkeiten. Siehe seinen Alleingang bei einem Moratorium für Stromtrassen, denen er vor einem Dreivierteljahr noch zugestimmt hatte. Es gilt die Maxime, was für Bayern, im Zweifel für die CSU, gut ist, wird gemacht. Sollen die in Berlin doch sehen, wie sie zu recht kommen. Nur, mit genau dieser Haltung haben die drei rot-grünen Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein aufmüpfiges Selbstbewusstsein gegen Schwarz-Rot an der Spree demonstriert. Sie haben es zumindest versucht. Und da sind wir bei der zweiten Seite des Doppelpasses, der sachlich-politischen. Die einen - SPD, Grüne, Linke und viele Migrantenverbände - fordern seit langem die antiquierte Wahlpflicht für einen Pass, den deutschen oder den der ausländischen Eltern, abzuschaffen. Statt diesem Entweder-Oder soll es einfach beide Staatsbürgerschaften geben. Immerhin leben 2,3 Millionen Menschen in Deutschland mit zwei Pässen. Ohne dass es damit zu Loyalitätskonflikten kommt. Große Teile von CDU und CSU dagegen wollen den Doppelpass nur unter ganz engen und obendrein bürokratisch gefassten Bedingungen hinnehmen. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei kein Geschenk. Nur diejenigen sollten sie behalten dürfen, die in der deutschen Gesellschaft angekommen sind, meint die CSU-Spitze. Richtig ist, die doppelte Staatsbürgerschaft löst keine Probleme bei der Integration, sie ist auch kein Alibi dafür. Aber etwas weniger Krampf, weniger Bürokratie und dafür mehr Weltoffenheit täte uns allen gut. Mehr Doppelpässe braucht das Land.

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