Alle Storys
Folgen
Keine Story von Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung mehr verpassen.

Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung

NRZ: Warum wir die Pro-Erdogan-Demonstration aushalten müssen - ein Kommentar von JAN JESSEN

Essen (ots)

Am Sonntag werden in Köln Tausende, vielleicht Zehntausende Türken und türkischstämmige Deutsche auf die Straße gehen, um für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seine Politik zu demonstrieren. Unter den Demonstranten werden viele Nationalisten sein, faschistische Graue Wölfe, sicher auch viele Islamisten. Das kann man furchtbar und verstörend finden. Man muss es aber aushalten können. In Deutschland finden ständig Demonstrationen und Veranstaltungen statt, die schwer erträglich für jeden überzeugten Demokraten sind. Kundgebungen von Rechts- und Linksextremisten, die das bestehende System abschaffen wollen; antisemitischer Protest wie der Al-Quds-Marsch in Berlin; Koranverteilungs-Aktionen von einer Organisation, aus der heraus etliche junge Menschen in den Dschihad nach Syrien und in den Irak gezogen sind; dazu die Aufmärsche der fremdenfeindlichen Pegida und ihrer Ableger, auf denen gegen die "etablierte Politik" und die "Lügenpresse" gehetzt wird. Das Demonstrationsrecht ist wie die Meinungsfreiheit ein Grundrecht. Es ist natürlich höchstgradig absurd, dass die Demonstranten, die es am Sonntag in Anspruch nehmen, für einen Mann auf die Straße gehen, der es in der Türkei gerade abschafft. Erdogan errichtet eine Autokratie, in der die Freiheit insgesamt unter die Räder kommt. Deutsche Politiker kritisieren das zu Recht. Sie mischen sich mit Verve in die türkische Innenpolitik ein. Weil sie das tun, muss man im Umkehrschluss aber Türken und türkischstämmigen Deutschen zugestehen, ihre Sicht auf die türkische Innenpolitik zum Ausdruck zu bringen, so unappetitlich das auch sein mag.

Richtig ist aber: Es braucht eine Diskussion über die Frage, warum Menschen, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, so wenig verwurzelt sind mit dem Land, in dem sie aufgewachsen sind. Warum sie einen überbordenden Nationalismus für einen Staat an den Tag legen, in dem sie offensichtlich nicht leben wollen und für einen Präsidenten, der sich immer weiter von der westlichen Wertegemeinschaft entfernt. Wer Hass auf Andersdenkende oder auf Minderheiten wie beispielsweise die Kurden predigt, dem muss die Gesellschaft entgegentreten. Der wachsende negative Einfluss der türkischen Politik auf die türkischstämmige Minderheit in Deutschland darf und muss kritisiert, die Rolle etwa des vom türkischen Staat gelenkten muslimischen Dachverbandes Ditib diskutiert werden. Wahnhafter Nationalismus muss bekämpft werden. Aber eben nicht mit der Einschränkung des Demonstrationsrechts.

Pressekontakt:

Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion

Telefon: 0201/8042616

Original-Content von: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Weitere Storys: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
  • 27.07.2016 – 19:16

    NRZ: Die USA brauchen Hillary Clinton - ein Kommentar von DIRK HAUTKAPP

    Essen (ots) - Amerika, was ist los mit dir? Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes kann eine Frau Präsidentin werden: Hillary Clinton. Ein Ereignis von epochaler Dimension. Aber wo bleibt der Einheit stiftende Jubel, wo das in besonderen Momenten in den USA programmierte Bekenntnis zur selbstempfundenen Einzigartigkeit? Clinton bleibt der Vertrauensbonus versagt. ...

  • 25.07.2016 – 18:15

    NRZ: An der Realität vorbei - ein Kommentar von MICHAEL MINHOLZ

    Essen (ots) - Viele Fahrgäste und Güterkunden, deren Zugangebote ausgedünnt wurden, dürften die Worte von Bundesverkehrsminister Dobrindt gerne hören: Der CSU-Politiker fordert, dass beim Schienenriesen Daseinsvorsorge vor Profitdenken gelten soll. Der stammtischtaugliche Wunsch hat mit der Realität allerdings wenig zu tun. Die Bahn ist keine Beamtenbahn mehr. Sie steht im beinharten Wettbewerb mit privaten ...

  • 25.07.2016 – 18:07

    NRZ: Die Gesellschaft ist nicht schutzlos - ein Kommentar von JAN JESSEN

    Essen (ots) - Ein neuer Tag, eine neue Schreckensmeldung. Würzburg, München, Reutlingen, Ansbach. Die Verdichtung des Horrors lässt schaudern. Der junge Mann, der sich vor einem Musikfestival in die Luft gesprengt und mehr als ein Dutzend Unschuldige verletzt hat, hat sich allem Anschein nach von radikalen Islamisten zu seiner Tat inspirieren lassen. Er war aber ...