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WAZ: Empörung allein reicht nicht mehr - Leitartikel von WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock

Essen (ots)

Die Empörung nach den skandalösen Vorfällen beim Bundesligaspiel von Borussia Dortmund gegen RB Leipzig hat sich noch nicht gelegt. Im Gegenteil. Vor allem ein Satz hallt nach: "In solche hasserfüllte Fratzen habe ich noch in keinem meiner Polizeieinsätze gesehen." Das sagte der erfahrene Einsatzleiter Edzard Freyhoff, nachdem er und die Sicherheitskräfte einem völlig enthemmten Mob gegenübergestanden hatten.

Doch fernab von berechtigtem Entsetzen über die Gewalt und die menschenverachtende Feindseligkeit muss das Geschehene jetzt professionell und ohne Schaum vorm Mund aufgeklärt werden. Um es kurz zu fassen: Empörung reicht nicht mehr.

Wer hat wann Fehler gemacht? Wer trägt die Verantwortung für ein Sicherheitskonzept, das offenbar nicht funktionierte? Was haben die Verantwortlichen von Borussia Dortmund jetzt zu tun, die das offensichtliche Hooligan-Problem seit langem nicht in den Griff bekommen? Und, durchaus eine Frage für die ganze Bundesliga: Welchen Anteil haben die Lästereien und Spitzfindigkeiten, die Anfeindungen und Showkämpfe, die angeblich zum Geschäft gehören und vor wichtigen Spielen zwischen Repräsentanten der Vereine ausgetragen werden? Wie wachsen junge Fußballfans auf, die den Hass zwischen angeblich moralisch überlegenen Traditionalisten und vermeintlich schädlichen "Plastikclubs" nahezu täglich vor Augen geführt bekommen?

Sprüche wie "Eure Eltern sind Getränkedosen-Automaten" in Richtung der Leipziger Spieler sind dümmlich, tun aber keinem weh. Doch wo bleibt die Vorbildfunktion? Wo verläuft die Grenze zwischen Rivalität und Feindschaft, zwischen Vereinsliebe und Vereinshass? Um es klarzustellen: Die Gewalttäter der Dortmunder Ausschreitungen bilden in der großen, begeisternden BVB-Fangemeinde die Ausnahme. Sie spiegeln keineswegs die Mehrheit der Fußballfans, die allein, mit Freunden oder mit ihrer Familie zum Fußball gehen. Aber, und das ist der Tabubruch von Dortmund, wenn selbst Kinder in einem Fußballstadion oder auf dem Weg dorthin ihres Lebens nicht mehr sicher sind, dann ist etwas aus dem Ruder gelaufen.

Wann stirbt ein Mensch durch einen Pflasterstein, eine Eisenstange oder eine Bierflasche, die er aus zehn Metern an den Kopf geworfen bekommt? "Übertreibt man nicht, sowas kommt vor!" oder "Welch eine Skandalisierung, typisch Medien!", heißt es dann aus Kreisen derer, die die große Gefahr für den BVB und den Fußball noch immer nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollen. Wer diese Vorfälle verharmlost, handelt fahrlässig. Wer schweigt, trägt Mitverantwortung. Was wäre das für ein beeindruckendes Signal gewesen, wenn angesichts der obszönen Plakate Tausende oder gar Zehntausende Fans ein Pfeifkonzert angestimmt hätten! Dies könnte übrigens auch, den Gedanken fortgeführt, für einen Stadionsprecher gelten, der zu Mäßigung und Fairness aufruft und die Hass-Parolen verurteilt. Oder ist das ein absurder Gedanke - weil man dann die eigenen Fans fürchten müsste?

So oder so muss sich die Vereinsführung etwas einfallen lassen. Und natürlich ist der Rechtsstaat gefordert im Einsatz gegen Hooligans, die das Umfeld von Bundesligaspielen für Gewaltexzesse nutzen. Dies sind Straftäter, die als solche behandelt werden müssen.

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