Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Christen im Visier. Leitartikel von Martin Gehlen

Essen (ots)

Für viele Christen im Nahen Osten geht ein bedrückendes Jahr zu Ende. Die irakischen Gläubigen kehren in Scharen ihrer Heimat den Rücken. Familien suchen Unterschlupf im sicheren kurdischen Norden. Andere fliehen in Todesangst über die Grenzen nach Jordanien und Syrien. Wer noch ausharrt, duckt sich weg.

Der chaldäische Bischof von Kirkuk hatte alle kirchlichen Weihnachtsfeiern abgesagt, nachdem er und mehrere Priester Morddrohungen von irakischen Extremisten erhalten haben. Libanons Maroniten fürchten einen neuen Bürgerkrieg. Auch die Kopten am Nil stehen im Visier von El-Kaida-Terrorplanern. Die Patriarchen des Heiligen Landes warnen vor einer weiteren Zunahme der Gewalt. Ohnmächtig müssen sie den Exodus palästinensischer Christen mit ansehen. Die biblischen Schwesterstädte Bethlehem und Jerusalem trennt heute eine monströse Mauer.

Ausgerechnet in der Unruheregion des Nahen und Mittleren Ostens, wo die Weltreligion einst entstand, droht das Christentum den Boden unter den Füßen zu verlieren. Hier liegen seine ältesten Wurzeln. Doch heute leben nur noch 17 Millionen Christen unter gut 400 Millionen Muslimen - und ihre Zahl schwindet. Überall sind sie nur noch kleine Minderheiten, angefangen von einem Prozent im Iran und in der Türkei, über drei Prozent in Israel und Jordanien bis hin zu zehn Prozent in Ägypten. Ungeachtet dessen zählen Armenier, Kopten und Syrisch-Orthodoxe zu den ältesten Kirchen überhaupt - zusammen mit den Chaldäern und Melkiten. Seit alters her gehört ihre religiöse Präsenz zum geistig-kulturellen Grundgewebe des Orients. Trotzdem werden sie von selbsternannten Gotteskriegern immer aggressiver denunziert als Agenten des Westens, als Fremdkörper in ihren eigenen Völkern oder gar als Ungläubige.

Am Ende können durch Bedrohungen, Vertreibung und Flucht alle nur verlieren. Das interreligiöse Klima in den islamischen Staaten wird schleichend vergiftet. Der Irak könnte wegen der monströsen Mordanschläge sogar sein gesamtes christliches Erbe einbüßen. Zurück werden Gesellschaften bleiben, in denen islamische Puristen und Fanatiker den Ton angeben.

Fazit: Christen, Juden und Muslime haben den Mittleren und Nahen Osten mit geprägt. Die wachsende Gewalt gegen Christen wird die Region verarmen lassen - religiös wie kulturell. Sie verliert ihre in Jahrhunderten gewachsene Vielfalt.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 26.12.2010 – 19:58

    WAZ: 2011 - Jahr der Wahrheit. Kommentar von Miguel Sanches

    Essen (ots) - 2011 ist das Jahr der Wahrheit im Afghanistan-Krieg. Es ist vereinbart, dass dann der Abzug der internationalen Truppen beginnt. Den Worten sollen Taten folgen, wie es SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier fordert. Die Opposition möchte den Beginn des Abzugs im Mandat für die nächsten zwölf Monate festhalten. Sie verlangt eine notarielle Verbindlichkeit, die es nicht geben kann. Der Abzug ist ...

  • 26.12.2010 – 19:55

    WAZ: Mata Hari als E-Mail. Kommentar von Dietmar Seher

    Essen (ots) - Mata Hari von 1917 ist heute eine E-Mail. Die Umgarnung gegnerischer Geheimnisträger mit den Waffen der Geschlechter wird durch einen Anhang ersetzt, der sich zum Öffnen anbietet. Wer einst dem Flirt erlag, hat jetzt einen Virus im Rechner, der Geheimdaten ausspäht und an den Absender übermittelt. Die Spionage des 21. Jahrhunderts zeigt sich unromantisch, obwohl sie auf die gleiche menschliche Schwäche ...

  • 26.12.2010 – 15:32

    WAZ: Deutlich mehr Angriffe auf Computer von Behörden

    Essen (ots) - Die elektronische Spionage gegen deutsche Staatseinrichtungen nimmt zu. Nach Informationen der WAZ-Mediengruppe (Montagausgabe) hat die Spionageabwehr von Januar bis September diesen Jahres 1600 Angriffe auf PC und Großrechner von Bundesministerien und anderen Behörden festgestellt. Das sind fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum 2009. Damals wurden 900 Attacken erkannt. Die Angreifer versuchen an ...