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WAZ: Radovan Karadzic gefasst - Gerechtigkeit. Endlich! Leitartikel von Lutz Heuken

Essen (ots)

Es ist kein Zufall, dass der Völkermörder Radovan
Karadzic gerade jetzt gefasst wurde, jetzt, da der pro-europäische 
Präsident Boris Tadic in Belgrad an der Macht ist. Denn die Festnahme
des Kriegsverbrechers ist weniger eine kriminalistische oder 
geheimdienstliche Meisterleistung als vielmehr ein politischer Akt: 
Die Zeit war einfach reif, endlich ein neues Kapitel der serbischen 
Politik aufzuschlagen.
Viel zu lange konnten sich Karadzic und sein Handlanger Mladic 
dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal entziehen. Viel zu lange 
hatten sie in Politik, Militär, Verwaltung und Geheimdiensten willige
Helfer, die eine Festnahme verhinderten. Viel zu groß war und ist die
Zahl der Unterstützer in den ultranationalistischen serbischen 
Kreisen, die den blutigen Krieg auf dem Balkan immer noch als 
gerechtfertigt ansehen, die immer noch von anti-serbischer 
Verschwörung reden. Für viele Groß-Serben ist Karadzic nach wie vor 
ein Held - egal, wieviel Blut an seinen Händen klebt.
Die Europäer haben viel Geduld gezeigt mit Belgrad. Sie haben auf
den Druck von Sanktionen gesetzt, vor allem aber auf Verlockung. Die 
Idee: Langfristig sollte sich die Mehrheit der Serben bei der Wahl 
zwischen chauvinistischer Isolation und europäischer Perspektive für 
Europa entscheiden. Wenn schon nicht aus tiefer Einsicht oder gar 
Reue, so doch aus rein egoistischen Gründen: Während Isolation 
Verarmung bedeutet hätte, verheißt die Annäherung an Brüssel 
Wohlstand. Die Wahl des Pro-Europäers Tadic beweist, dass eine 
Mehrheit der Serben diesen Weg gehen will.
Wer die Bilder der verängstigten Menschen aus Srebrenica noch vor
sich sieht, wo serbische Schergen tausende Muslime abschlachteten, 
wer an die Terror-Belagerung von Sarajevo denkt, an die mitleidlose 
Vertreibung zehntausender Moslems und die halbverhungerten Männer in 
den serbischen Konzentrationslagern, der muss die Festnahme Karadzics
einfach auch mit Befriedigung aufnehmen. Wie sehr haben die Opfer von
Vertreibung, Folter und Massenvergewaltigungen darunter gelitten, 
dass einer der Hauptverantwortlichen auf freiem Fuß ist. Wie viele 
Angehörige von Ermordeten haben nie wieder zu einem normalen Leben 
zurückgefunden, weil die furchtbarsten Verbrechen nicht gesühnt sind.
Auch wenn die Festnahme Karadzics die Toten nicht wieder lebendig
macht, so kann sie doch Frieden schaffen. Frieden zwischen den 
ehemals verfeindeten Serben, Kroaten und Bosniern. Und Frieden in den
Seelen der überlebenden Opfer.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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