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Berliner Morgenpost: Bunter Beutel statt heiliger Messe (Kommentar zur Richtungsdebatte in Union)

Berlin (ots)

Mag sein, dass es taut, zwei Meter Neuschnee fallen
oder die Spree beim Fließen die Richtung wechselt. Eins aber wird es 
an diesen beiden Tagen sicher nicht geben: Einen Aufstand gegen die 
Kanzlerin, nicht mal einen winzig kleinen. Selbst nennenswerte Kritik
wird bei der Unionsklausur nicht zu hören sein an ihrem, nun ja, 
nicht eben glanzvollen Regierungsstil. Angela Merkel, unangefochten.
Stolperstart? Das müssen dann wohl die anderen gewesen sein. Zu wenig
Führungskraft? Wer beobachtet hat, wie sich die Reihen geschlossen 
haben in den vergangenen Tagen, der konnte eher den gegenteiligen 
Eindruck gewinnen. Merkel hat diese Unionsklausur, von der man eine 
politische Sekunde lang denken konnte, sie könne den Beginn einer Art
Kanzlerinnendämmerung markieren, inhaltlich und publizistisch 
glänzend vorbereitet. Ihre mit einer fundierten Wahlanalyse 
untermauerte Sicht der parteipolitischen Dinge konnte jeder 
nachlesen, nachvollziehen, ohne dass sie selbst auch nur einen Satz 
dazu gesagt hätte. Und jeder, dessen Wort in der Union etwas wiegt, 
hat sich diesen Blickwinkel daraufhin auch öffentlich zu eigen 
gemacht. Selbst in Wildbad Kreuth, das man allmählich in Sanftbad 
umtaufen sollte, brach der Widerstand der Konservativen in sich 
zusammen, noch ehe er sich überhaupt formieren konnte. Die CSU in 
Bayern, auch die CDU in Baden-Württemberg, formal Zentren des 
Konservativismus, sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass die 
Kraft schlicht nicht ausreicht. Nicht für einen Putsch, nicht für 
eine Machtprobe, noch nicht mal für eine verbale Wirtshausschlägerei.
Wie sollte es auch anders sein?
Ein auf Recht, Ordnung und Frühschoppen basierender Konservativismus 
hat sich schlicht überlebt. Opa hört die Rolling Stones und soll am 
Sonntagmorgen gefälligst auf die Enkel aufpassen, weil Papa und Mama 
Doppelbelastung schließlich auch mal einen Tag ausschlafen wollen. 
Von wegen ein, zwei Bierchen im Vereinsheim. Die werden zwar auch 
noch gern genommen, aber die klassische bürgerliche Familie, 
Kernzielgruppe der Union, erst recht der CDU, die trifft man 
mittlerweile eher beim Gemeinschaftsabend der Kita Bunter Beutel als 
bei der heiligen Messe. Merkel, die nie eine Vordenkerin war, sondern
immer eine Konsequenzenzieherin, nimmt diese gesellschaftliche 
Entwicklung nicht vorweg, sie läuft ihr eher ein wenig hinterher.
Halt, Einspruch! 33 Prozent sind zu wenig. Mit ein bisschen mehr 
Basta, Bierzelt, Populismus könnte die Union doch mehr Stimmen holen.
Das mag so sein, griffe aber zu kurz - vielleicht in jenen 
Protestwählertopf, aus dem sich mal ein Schill, mal ein Lafontaine, 
demnächst vielleicht auch wieder ein sozialdemokratischer 
Sprücheklopfer bedient. Aber die Union, die CDU zumal, muss doch 
ihrem Markenkern treu bleiben. Der ist Familie, der ist auch Kirche, 
aber dort eher katholische Schule als Glaubenskongregation. Und der 
ist Wirtschaft.
Wenn das System Merkel, das seit einem Jahrzehnt die Union und seit 
fünf Jahren die Bundespolitik dominiert, eine Schwäche hat, dann 
hier. Wirtschaftskompetenz nimmt man der Kanzlerin selbst nicht ab, 
auch nicht ihrem Umfeld, im Grunde der ganzen Union nicht mehr. Das 
ist gefährlich in Zeiten, in denen die Menschen gerade auf diesem 
Politikfeld Führung erwarten, Führung brauchen. Und klare Konzepte. 
An ihnen, nicht an überholten Ideologien, sollte sich die Union heute
und morgen abarbeiten.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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