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Berliner Morgenpost: Die Affäre nährt die Zweifel am Einsatz in Afghanistan - Leitartikel

Berlin (ots)

Nun hat der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auch
an der innenpolitischen Front erste Opfer gefordert. Dass mit dem 
Rücktritt des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und des 
Staatssekretärs Peter Wichert gleich zwei der ranghöchsten Beamten 
des Verteidigungsministeriums zurücktreten mussten, zeigt an, dass 
bis hinein in die oberste militärische wie politische Führung 
schwerwiegende Informations- und Kommunikationsfehler im Zusammenhang
mit dem Luftangriff nahe Masar-i Scharif gemacht worden sind. Und das
ist noch eine sehr zurückhaltende Wertung angesichts des Verdachts, 
dass das frühe Wissen auch über zivile Opfer bei der Bombardierung 
der von den Taliban entführten Tanklastwagen bewusst zurückgehalten 
wurde. Schwer zu glauben, dass der Verteidigungsminister selbst von 
den belastenden Informationen wochenlang nichts wusste.
Wenn es wirklich so war, wie es Minister Franz Josef Jung gestern im 
Bundestag vortrug, könnte man vermuten, Schneiderhan wie Wichert 
hätten ihren Chef bewusst ins Messer laufen lassen. Dafür spricht 
angesichts der jahrlangen Loyalität beider nicht sehr viel. Oder 
wollten sie die zivilen Opfer verschweigen, um ihren Minister 
angesichts des näher rückenden Wahltags vor weiteren Schwierigkeiten 
zu bewahren? Dies würde für Naivität sprechen. So erfahrene 
Führungspersonen wie Schneiderhan und Wichert müssten wissen, dass 
sich brisante Informationen nicht dauerhaft vertuschen lassen. Alles 
kommt irgendwann raus.
Minister Jung darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Wenn 
wirklich alles so abgelaufen ist, wie er erklärt, sprechen dennoch 
zwei Argumente gegen ihn. Ein Minister trägt die Gesamtverantwortung 
für alles, was in seinem Ressort passiert. Das gilt umso mehr, wenn 
zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter ihn - aus welchen Gründen auch 
immer - von wichtigen Informationen abschneiden. Auch wenn bislang 
nichts dafür spricht, dass Jung Parlament und Öffentlichkeit bewusst 
belogen hat, steht er zu Recht im Zentrum des politischen Beschusses.
Sein Unwissen ist Indiz, dass er sein altes Ministerium nicht 
wirklich im Griff hatte. Dazu kommt ein schwerwiegendes eigenes 
Versäumnis. Als er Anfang Oktober den hausinternen Feldjägerbericht 
über die Hintergründe der Bombardierung für weitere 
Nato-Untersuchungen frei gab, hätte er nach dem Inhalt fragen müssen.
Spätestens dann wäre er informiert gewesen.
Die Affäre in Jungs Ex-Ministerium ist auch für die gesamte 
Bundesregierung ein Desaster. Weil die Zweifel der Öffentlichkeit an 
der Sinnhaftigkeit des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan weiter 
genährt werden. Wer Soldaten in den Kampf schickt, muss glaubwürdig 
und verlässlich sein. Beide Voraussetzungen haben Schrammen bekommen.
Darunter haben nicht zuletzt die Soldaten an der Front zu leiden. Sie
haben Anspruch, dass ihr riskanter Einsatz zu Hause möglichst große 
politische wie gesellschaftliche Unterstützung findet. Nähme er 
seinen Hut - Franz Josef Jung würde den Soldaten wie der Regierung 
einen großen Dienst erweisen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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