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Berliner Morgenpost: Ein Warnschuss war's - mehr hoffentlich nicht - Leitartikel

Berlin (ots)

Ein schmutziges Geschäft ist Politik natürlich
nicht. Wohl aber ein spannendes, nicht exakt planbares, auch ein sehr
menschliches kann es sein. Beispielhaft dafür der gestrige 
thüringische Landtag. Erst im dritten Wahlgang wurde Christine 
Lieberknecht zur zweiten Ministerpräsidentin Deutschlands und zur 
ersten mit CDU-Parteibuch gewählt. Anders als vor vier Jahren Heide 
Simonis in Kiel, wurde Frau Lieberknecht nicht politisch "gemordet". 
Ihre Wahl erst im dritten Abstimmungsgang war zwar sehr überraschend,
auch ein deutliches Zeichen für wohl politische wie menschliche 
Enttäuschungen einiger Abgeordneter in der künftigen schwarz-roten 
Koalition. Aber als es dann um die Entscheidung ging, obsiegte die 
neue starke Frau in Erfurt, weil sich die Abgeordneten der 
demokratischen Parteien einvernehmlich ihrer Verantwortung bewusst 
wurden.
Vor die Alternative gestellt, die erste christdemokratische 
Ministerpräsidentin oder mit Bodo Ramelow erstmals einen 
Regierungschef der Linkspartei und damit einen Erbfolger der SED zu 
wählen, fiel das Votum erfreulich deutlich aus. Damit sind die 
Mehrheitsverhältnisse und auch die Fronten, wenn es drauf ankommt, 
geklärt. Der sich von Matschies SPD verraten gefühlte Ramelow kann 
nicht länger behaupten, Schwarz-Rot hätte keine wirkliche Mehrheit im
Parlament wie im Lande. Er bekam bei der Stichwahl allein die Stimmen
aus den eigenen Reihen plus nur einer aus dem anderen Lager. Mit 
seiner Gegenkandidatur hat Ramelow letztlich den Beweis der eigenen 
Machtlosigkeit provoziert. Ihn ehrt, dass er Frau Lieberknecht 
öffentlich seinen Respekt bezeugt hat.
Der neuen Regierungschefin, ausgestattet mit weit sensiblerer 
Menschenkenntnis als ihr selbstgerechter Vorgänger Dieter Althaus, 
schwante offenbar, dass ihre Wahl kein Selbstläufer werden würde. 
Manche Abgeordnete in der SPD-Fraktion hätten lieber mit der 
Linkspartei koaliert, in den eigenen CDU-Reihen waren Enttäuschungen 
unvermeidlich, weil weit weniger Regierungsposten zu vergeben sind 
als in der abgewählten Alleinregierung Althaus. Angesichts dieser 
politischen wie menschlichen Unwägbarkeiten ist es ein kluger, 
zumindest nachvollziehbarer Schachzug der Ministerpräsidentin, die 
ihrer Partei verbleibenden Regierungsämter erst nach der eigenen, 
zweifellos holperigen Amtsübernahme zu verteilen. Auch in der Politik
kann hin und wieder die gute alte Lebensweisheit gelten, dass 
Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist.
Nach ihrer schweren Wahlschlappe hat sich Thüringens CDU dank der SPD
doch noch zurück in die Regierung gerettet. Ohne ihre auf Ausgleich 
und Kompromiss bedachte Spitzenfrau wäre der Union das nicht 
gelungen. Der neue, mit Christine Lieberknecht nicht länger auf 
Konfrontation und Überheblichkeit angelegte Regierungsstil wird 
Thüringen guttun. Das Land gehört neben Sachsen zu den beiden 
erfolgreichen im Osten. Die neue Koalition schafft bessere 
Voraussetzungen als die rot-rote Alternative, dass es so bleibt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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