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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Ein Eklat, der von einer politischen Wende kündet

Berlin (ots)

Schreibgeschützt 	txt		Text: 2-31J-Kommentar
Welch ein Eklat während einer Konferenz, zu der sich Staats- und 
Regierungschefs mit den Eliten aus Wirtschaft und Wissenschaft 
treffen, um in offenem Gedankenaustausch zur Linderung der Probleme 
dieser Welt beizutragen! Beim Weltwirtschaftsforum in Davos sind 
Israels Staatspräsident Schimon Peres und der türkische 
Ministerpräsident Tayyip Erdogan während einer Podiumsdiskussion 
derart aneinandergeraten, dass der Türke wutentbrannt den Saal 
verließ. Anlass der Kontroverse war die Kriegführung Israels im 
jüngsten Gaza- Krieg. Erst hatte Erdogan den Militäreinsatz Israels 
massiv kritisiert, daraufhin Peres diesen leidenschaftlich verteidigt
("Was würden Sie tun, wenn jede Nacht zehn oder hundert Raketen auf 
Sie niedergehen?"). Als Erdogan darauf noch einmal reagieren wollte, 
entzog ihm der Moderator das Wort. Mit der Begründung, die Zeit sei 
abgelaufen und das Abendessen warte. Der in seiner Ehre verletzte 
Erdogan ward daraufhin in Davos nicht mehr gesehen.
 Bei etwas mehr Fingerspitzengefühl des Gesprächsleiters hätte sich 
der Eklat wohl vermeiden lassen. Zumal auch die Türkei alles andere 
als zimperlich ist um Umgang mit ihren Feinden. Mit den Kurden etwa, 
die mehr Autonomie bis hin zur Unabhängigkeit fordern. Der Einsatz 
von Panzern und Kampfflugzeugen gegen sie ist auch der türkischen 
Armee nicht fremd. Doch der Eklat von Davos hat eine weit größere 
Dimension als allein verletzter Stolz. Die Türkei galt bislang als 
stiller Verbündeter Israels. Noch im Südlibanon- Krieg vor drei 
Jahren gegen die Hisbollah stand der Nato-Partner auf Seiten Israels,
die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit zwischen beiden 
Ländern galt als vielversprechend. Damit wuchs auch der Einfluss der 
Türkei in der Krisenregion Nahost. So weit, dass Ankara als 
unabhängiger Vermittler zwischen den verfeindeten Lagern akzeptiert 
wurde. Auch als Brückenbauer zwischen der islamischen und der 
westlichen Welt empfiehlt sich die zunehmend selbstbewusste Türkei.
Diese Rolle des ehrlichen Maklers und Brückenbauers wird nicht erst 
mit dem Eklat von Davos fragwürdig. In jüngster Zeit nahm Erdogan 
immer häufiger Partei für die islamischen Glaubensbrüder, wenn es um 
die Frage ging, wem das Heilige Land gehöre. Auch während des 
Gaza-Kriegs verlor er kein Wort über die Raketenangriffe der Hamas 
auf Israels Zivilbevöl kerung. Seine Neutralität gab Erdogan 
endgültig auf, als er davon sprach, Allah werde Israel für das 
bestrafen, was den Palästinensern in Gaza angetan wurde. So reagiert 
kein Freund oder Partner, der sich als Vermittlers andient. So redet 
eher einer, der einen Kurswechsel vorgenommen hat, einen solchen 
zumindest vorbereitet. Der stürmische Empfang Erdogans in der Heimat,
vermutlich wohl organisiert, stärkt diese Befürchtung.
So dürfte der Eklat beim Weltwirtschaftsforum kein Zufall gewesen. 
Abkehr von Europa, Ende der Kooperation mit Israel, Wechsel ins 
islamische Lager? Es sind beunruhigende Signale, die Erdogan 
aussendet. In den Nahen Osten wie nach Europa.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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