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Berliner Morgenpost: Das Geld muss auch bei den Kindern ankommen - Kommentar

Berlin (ots)

Das Urteil ist gefällt, auch wenn das
Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben wird: Das 
Bundessozialgericht in Kassel entschied gestern, dass es den 
Hartz-IV-Regelsatz für Kinder bis zu 14 Jahren für verfassungswidrig 
hält. Die Regelung, den Kindern in Erwerbslosen-Familien pro Monat 
nur 211 Euro und damit 40 Prozent weniger als einem alleinstehenden 
arbeitslosen Erwachsenen zu geben, verstoße gegen den 
Gleichheitsgrundsatz, so das Bundessozialgericht. Nun müssen die 
Richter in Karlsruhe die Frage endgültig entscheiden.
Wer Kinder hat, weiß, dass 211 Euro im Monat äußerst knapp sind. Dass
das Geld in den meisten Monaten nicht ausreicht, denn davon müssen 
Lebensmittel, Kleidung, Spielsachen, Schulranzen und Stifte oder auch
der Besuch im Schwimmbad bezahlt werden. Das Problem bei einem 
Regelsatz von 211 Euro ist, dass dieser pauschal für jedes Kind unter
14 Jahren gezahlt wird. Für ein zweijähriges Mädchen erhalten die 
Eltern damit die gleiche Summe wie für einen 13-jährigen Jungen. Muss
man erklären, dass der Jugendliche wesentlich mehr isst als das 
kleine Mädchen, dass er andere, meist teurere Hosen und Schuhe 
braucht?
So ist es wenig erstaunlich, dass die Kinderlobbyisten mehr Geld für 
die Familien fordern, in der ein oder sogar beide Elternteile 
erwerbslos sind. Auch die Politiker haben sich von deren Berechnungen
überzeugen lassen. So hat die große Koalition im Rahmen des zweiten 
Konjunkturprogramms beschlossen, dass die Regelsätze für Kinder im 
Alter von sechs bis 13 Jahren erhöht werden. Künftig wird für ein 
Kind 70 Prozent - und nicht nur 60 Prozent - des Regelsatzes für 
erwachsene Hartz-IV-Empfänger gezahlt. Das sind umgerechnet 35 Euro 
mehr für ein Schulkind. Außerdem gibt es für Kinder - befristet bis 
zur zehnten Klasse - pro Jahr ein sogenanntes Schulstarterpaket in 
Höhe von 100 Euro. Das Problem ist also erkannt.
Es wäre aber lohnenswert, noch einmal grundsätzlich über die 
Pauschale für Kinder in Erwerbslosen-Familien nachzudenken. Ein Ziel 
dieser Pauschalierung war es, den bürokratischen Aufwand zu 
verringern. Früher musste das Geld für die Klassenfahrt oder den 
neuen Kinder-Wintermantel immer gesondert im Amt beantragt werden. 
Aber wie die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre zeigen, geben 
etliche Hartz-IV-Familien das ihnen zugewiesene "Kinder-Geld" nicht 
für diese, sondern für sich, für ein neues Handy oder Zigaretten und 
Alkohol aus. Nicht alle, das muss betont werden, aber immer noch zu 
viele. Diesen Familien, diesen Kindern wäre mehr geholfen, wenn es 
statt Bargeld künftig Gutscheine gäbe.
Das Bundesverfassungsgericht muss den Fall nun endgültig klären. Das 
ist, man kann es gar nicht oft genug sagen, wieder einmal ein 
Armutszeugnis für die politisch Verantwortlichen. Wie in so vielen 
anderen Fällen - erinnert sei an die Pendlerpauschale - müssen die 
Karlsruher Richter entscheiden, was schon lange als falsch erkannt 
worden ist. Auch von den Politikern.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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