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Rheinische Post: Die Koalition der Opernbesucher

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Seit Jahren wirkte das Parteiensystem wie in Beton gegossen: hier 
CDU/CSU und FDP, dort Rot-Grün, später Rot-Rot-Grün; auf Bundesebene 
wurden die Volksparteien so in die ungeliebte Große Koalition 
gezwungen. Diese Erstarrung ist mit dem ersten schwarz-grünen 
Hamburger Bündnis vorbei.
Für die Union wie für die Grünen eröffnen sich neue Optionen. Selbst 
ein Hauch von Jamaika, also einem Dreier-Bündnis mit der FDP nach der
Bundestagswahl 2009, weht durch Abgeordnetenzimmer und 
Redaktionsstuben. Der Verlierer des gestrigen Tages könnten die 
Sozialdemokraten, möglicherweise auch die zu Kanzlermachern 
hochgeschriebenen Linkspopulisten werden. Vielleicht finden CDU, 
Grüne und die sich schon zaghaft regenden Liberalen eine 
überraschende Antwort auf das sich in den Parlamenten etablierende 
Fünfparteiensystem.
Diese Einschätzung, bei manchen von Hoffnung getrieben, könnte jedoch
verfrüht sein. Der Stadtstaat Hamburg zeichnet sich durch ein 
anarchisches Wählerverhalten aus: Statt-Partei, der Rechtspopulist 
Schill, sie alle mischten mit an der Elbe, nur Ole von Beust - ein in
vielen Dingen untypischer CDU-Mann - blieb. In den gutsituierten 
Vierteln der Stadt gehört es zudem zum guten Ton, dass der 
Chefarzt-Gatte Geländewagen fährt und CDU wählt, während die Dame des
Hauses biologisch-dynamisch einkauft und für die Grünen stimmt. Die 
linke "tageszeitung" lästerte deshalb früh über die mögliche 
"Koalition der Opernbesucher" in Hamburg.
Die Hamburg-CDU, die liberale Großstadt-CDU, letztlich die Merkel-CDU
verkörpert aber nicht die ganze Breite der Volkspartei CDU. Viele 
Mitglieder, Wähler, auch Funktionsträger tun sich schwer mit dem 
neuen Kurs. Die Geschmeidigkeit, mit der etwa ein Roland Koch in 
Hessen plötzlich um die Gunst der einst als Maschinenstürmer 
bekämpften Grünen buhlt, bleibt ihnen fremd. Bei ihnen überwiegt die 
Sorge vor der weiteren Linksdrift und Ökologisierung der 
Unions-Politik. Die Kritiker sehen sich bestärkt durch die 
programmatische Leere, mit der Merkel ihre Regierungszeit bisher 
füllt. Schließlich sorgte das Dekolleté der Kanzlerin zuletzt für 
mehr Aufsehen als ihre Reformansätze.
So paradox es klingt: Die Grünen tun sich mit der neuen Koalition 
leichter. Sie sind vor allem eine Partei der 40- bis 60-jährigen, die
verlorene Generation (auch) der Union. Die Signale, die ein Jürgen 
Trittin in Richtung CDU aussendet, sind deshalb auch Rufe nach einer 
Heimholung in die bürgerliche Gesellschaft und für ihn persönlich 
damit an die liebgewonnenen Fleischtöpfe der Macht. Nach Hamburg 
lautet die Prognose: Noch ist es nur ein Feldversuch. Doch will 
Merkel nach 2009 eine andere Koalition anstreben, muss sie nicht nur 
die Grünen gewinnen, sondern vor allem die skeptischen Teile des 
eigenen Lagers. Das ist bei weitem der schwierigere Part.

Pressekontakt:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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