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Börsen-Zeitung: Der Glaube an Kassandra, Börsenkommentar "Marktplatz" von Frank Bremser

Frankfurt (ots)

Der Ölpreis gibt Rätsel auf. Wie festgenagelt
verharrte er lange Zeit in einer engen Spanne rund um die 40 Dollar. 
Ausbrüche nach oben? Selten. Ausbrüche nach unten? Häufig. Dabei wird
eines derzeit geradezu gebetsmühlenartig wiederholt: Fundamental 
lässt sich die niedrige Notierung nicht begründen. Vielerorts sind 
die Förderkosten nicht mehr gedeckt, die wichtigsten Ölfelder sind 
auf dem absteigenden Ast, die Welt steuert auf ein hohes 
Angebotsdefizit zu, die fortlaufenden Förderkürzungen der 
Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) verschlimmern die 
Situation weiter.
Doch die Rufe der Experten verhallen nahezu ungehört: Seien es 
angesehene Rohstoffanalysten wie die von Barclays Capital, Trader wie
zum Beispiel des Rohstoffhändlers Sucden Financial oder Institutionen
wie der Internationale Agentur IEA. Es wirkt ein wenig wie die 
Prophezeihungen der Seherin Kassandra, die richtigerweise den 
Untergang Trojas vorhersagte, der aber niemand glauben wollte. Die 
Angst aufgrund der Wirtschaftskrise überschattet derzeit jede anders 
lautende Stimme.
Dass inzwischen viele Produzentenländer Probleme wegen des 
niedrigen Ölpreises haben, wird immer deutlicher. Denn aufgrund der 
fehlenden Milliarden in den Staatshaushalten wird dort auch die 
innenpolitische Lage immer angespannter-unter anderem in der 
arabischen Welt. Dass in Dubai aufgrund der Finanzkrise dazu noch der
Traum einer zukünftigen Wirtschaftsordnung für die Golfregion 
vorläufig geplatzt ist und das Emirat vom Nachbarn Abu Dhabi quasi 
gerettet werden muss, trägt dabei nicht unbedingt zur Besserung der 
Stimmung bei.
Teils nimmt die Sorge deshalb sogar so absurde Züge an, dass 
Biosprit verteufelt wird - und zwar nicht aus umweltpolitischen 
Gründen. Ein Mitglied der saudi-arabischen Akademie für 
Rechtssprechung warnt derzeit Muslime in aller Welt davor, Biosprit 
zu nutzen, da dies Sünde sei, weil Biotreibstoff "hauptsächlich aus 
Alkohol gemacht sei". Der Prophet verbiete den Kauf und Verkauf sowie
die Herstellung von Alkohol. Selbst wenn dieses Ansinnen echte 
religiöse Hintergründe hat, ist es doch vor allem ein Ausdruck der 
Sorge in den Golfstaaten. Dementsprechend vergeht auch kaum noch eine
Woche, in der die Opec nicht mehr oder weniger laut über weitere 
Förderkürzungen nachdenkt. Doch Wirkung haben diese Überlegungen kaum
gezeigt, der Ölpreis verharrte auf einem niedrigen Niveau. Inzwischen
erwarten Analysten aber, dass die Aktionen der Opec den Preis 
mittelfristig wieder nach oben treiben werden. Denn es zeichnet sich 
ab, dass die Kürzungen der Opec insgesamt so stark ausfallen werden, 
dass sie den anstehenden Nachfragerückgang mehr als überkompensieren 
werden. Die Frage ist deshalb: Wann beginnt diese Zukunft?
Zwar zieht seit einigen Tagen der Ölpreis wieder an; dass dies 
bereits der Beginn einer langen Hausse ist, ist allerdings 
fraglich-zu negativ ist die Stimmung. Ausgelöst hatten den Anstieg 
zum einen technische Faktoren, zum anderen die zum ersten Mal seit 
langem rückläufigen US-Ölvorräte und Kürzungen bei Öllieferungen aus 
dem arabischen Golf nach Asien.
Für die längeren Fristen ist bereits die eher seltene Situation 
des Contango eingetreten, was bedeutet, dass die Preise der ÖlFutures
derzeit deutlich höher liegen als am Spotmarkt. Normalerweise sind 
die Futures-Märkte der meisten Rohstoffe von der gegenteiligen 
Situation gekennzeichnet, der sogenannten Backwardation. Dies ist ein
ganz klares Zeichen dafür, dass die meisten Investoren inzwischen 
nicht mehr daran glauben, dass das niedrige Niveau von Dauer sein 
wird.
So könnte sich dann auch die Idee einiger Hedgefonds bezahlt 
machen: Diese hatten zuletzt leere Tanker gechartert, mit billigem Öl
vollgepumpt und die Schiffe vor allem im Golf von Mexiko geparkt. 
Ihre Rechnung ist ganz einfach: In einem Jahr sollte der Preis auch 
am Spotmarkt wieder derart hoch sein, dass sich das schwarze Gold 
wieder zu einem so hohen Preis verkaufen lässt, dass die Kosten 
gedeckt und ein satter Gewinn dabei herausspringt. Die Futures deuten
daraufhin, dass diese Rechnung durchaus aufgehen könnte. Anders als 
in Troja findet Kassandra am Ölmarkt vielleicht doch noch Gläubige.
(Börsen-Zeitung, 28.2.2009)

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