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Börsen-Zeitung: Die gute alte Zeit, Kommentar zum Ölpreis von Frank Bremser

Frankfurt (ots)

Erinnert sich noch jemand? Gerade einmal ein
knappes halbes Jahr ist sie her, die gute alte Zeit der Ölbullen. Die
Zeit, als ein Fass der US-Leichtölsorte West Texas Intermediate WTI 
147 Dollar kostete, den höchsten jemals gezahlten Preis für das 
schwarze Gold. Diese Zeit scheint vergessen, inzwischen dümpelt der 
Preis bei gut 54 Dollar, vor Wochenfrist fiel die Notierung gar unter
50 Dollar - und dies obwohl Experten vor nicht allzu langer Zeit 
davon sprachen, dass die Notierung allein aus fundamentalen Gründen 
gar nicht mehr unter die Spanne von 60 bis 70 Dollar rutschen könne. 
Denn dies ist der Bereich, ab dem viele wichtige Ölfelder erst 
rentabel sind - namentlich die kanadischen Ölsande.
Doch unter diesen Prohibitivpreis ist Öl gefallen, und nun  
verbrennen die kanadischen Ölsandkonzerne jeden Tag munter Geld. Und 
auch der als großer Hoffnungsträger gefeierte Riesenfund Carioca vor 
der Küste Brasiliens ist beim derzeitigen Preisniveau in der 
Erschließung nicht realisierbar.
Wer braucht noch Öl?
Hintergrund für den Preisverfall ist die Aussicht auf eine 
Rezession - eine Rezession, wie sie die Welt seit dem Zweiten 
Weltkrieg nicht gesehen hat. Denn wenn weltweit die Wirtschaft den 
Bach runtergeht, wer braucht dann noch Erdöl?
Doch diese Argumentation greift zu kurz: Zwar haben eine Reihe von
Experten ihre Ölpreisprognosen deutlich nach unten geschraubt, aber 
nur auf kurze Sicht, in der längeren Perspektive - etwa einem 
Horizont von zwölf Monaten - lauten die Prognosen unverändert hoch. 
Ob die Hoffnung auf eine weltweite Erholung ab dem zweiten Halbjahr 
2009 wirklich gerechtfertigt ist, sei einmal dahingestellt. 
Fundamental gesehen spricht einiges dafür, dass der aktuelle Einbruch
der Preise nur eine kurze Episode der weltweiten Finanzgeschichte 
sein wird. Denn trotz einer weltweiten Konjunkturflaute steuert die 
Welt auf eine Ölkrise zu, die - so paradox es klingen mag - durch die
aktuelle Finanzkrise noch verstärkt werden könnte. Denn grundsätzlich
hat sich an der Situation an den Rohstoffmärkten trotz Lehman-Pleite 
oder Citigroup-Schieflage nicht viel verändert. Sicherlich wird die 
Nachfrage in den kommenden Monaten und vielleicht auch Jahren 
gedämpft sein, aber dennoch bleibt eine Aussage bestehen: Die 
weltweiten Erdölvorräte gehen zur Neige, und die Förderung bekannter 
Reserven wird teurer. Und schon vor der Kernschmelze im Finanzsystem 
zeichnete sich ein Angebotsengpass ab, nicht zuletzt auch deshalb, 
weil jahrelang dringend notwendige Investitionen in Fördertechnik und
Erschließung ausgeblieben sind. Wie sollte man den Ölkonzernen auch 
einen Vorwurf daraus machen? Bei Preisen von 20 Dollar je Barrel 
lohnt sich nur bei wenigen Feldern die Erschließung. Doch durch die 
Finanzkrise, die Rezessionsaussichten und den daraus resultierenden 
Einbruch beim Ölpreis werden diese Investitionen vielerorts ein 
weiteres Mal zurückgestellt, mit langfristig fatalen Folgen. Denn 
auch wenn die Wirtschaft noch lange Zeit für eine Erholung von dem 
Finanzschock braucht, wird sich an dem grundlegenden Bild nichts 
ändern: Die Ölnachfrage wird steigen. Das hat auch unlängst die 
Internationale Energieagentur erkannt und einen radikalen Umschwung 
in der weltweiten Energiepolitik gefordert: Das Zeitalter der 
Kohlenwasserstoffe neigt sich seinem Ende entgegen. Die Rohstoffe 
sind endlich, und die Suche nach alternativen Energiequellen wird 
immer dringender - vor allem auch aus Klimaschutz gründen.
Meinungsänderung
Doch solche Langfristszenarien kümmern die Marktteilnehmer derzeit
eher wenig. Aktuell ist die Rezession das große Thema und wird es 
auch noch eine ganze Weile bleiben. Doch auch auf kurze Sicht wird 
der Ölpreis nicht auf dem derzeit niedrigen Stand verharren können. 
Zum einen werden die spekulativen Kräfte, die derzeit sehr deutlich 
in Richtung fallender Preise positioniert sind, auch wieder ihre 
Meinung ändern. Zum anderen werden die Marktteilnehmer auf absehbare 
Zeit wieder auf fundamentale Nachrichten achten. Denn Meldungen wie 
geringer steigende Öllagerbestände in den USA oder Förderkürzungen 
der Opec werden derzeit schlichtweg ignoriert. In der guten alten 
Zeit war das Gegenteil der Fall, und diese Zeit wird bald 
wiederkommen.

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