Alle Storys
Folgen
Keine Story von Schwäbische Zeitung mehr verpassen.

Schwäbische Zeitung

Schwäbische Zeitung: "Enthemmt und schmerzfrei" - Leitartikel zum Fall Kachelmann und das Image der Medien

Ravensburg (ots)

Die "Bild"-Zeitung wurde im Fall Kachelmann zu einer Rekordstrafe verurteilt, das ist ein starkes Zeichen. Um Geld geht es aber nur vordergründig, es geht um die Medienlandschaft als solche.

Sie genießt derzeit einen schlechten Ruf, angefangen von der in Nazidiktion vorgetragen Kritik an der "Lügenpresse" bis hin zu Pauschalverurteilungen gemäß "Diese Medien...". Die Berichterstattung der Medien fußt allerdings in großer Mehrheit auf Verantwortung für Demokratie, Menschenwürde und Vernunft; wer sich mit diesen Werten nicht identifizieren kann, findet in der Presse leicht ein Feindbild.

Medien machen andererseits aber auch Fehler. Der Fall Kachelmann steht in einer Reihe etwa mit dem Fall Wulff. Wenn die Presse Fotos eines Angeklagten beim Hofgang im Gefängnis veröffentlicht oder aus einem geschenkten Bobby-Car eine Topstory macht (Wulff), werden Grenzen überschritten. Über den Fall Kachelmann - es ging immerhin um einen Vergewaltigungsvorwurf gegenüber einer Person des öffentlichen Lebens - durfte und musste man ausführlich berichten. Allerdings entstand unter den Berichterstattern - und auch der Öffentlichkeit - ein Furor, der nicht mehr das Prädikat "angemessen" verdient hatte. Jedes Medium darf sich im Nachhinein hinterfragen, ob es die besagte Grenze überschritten hat, und sei es nur im Einzelfall.

Dass nun aber die "Bild"-Zeitung verurteilt wurde, kommt auch nicht von ungefähr. Der Boulevard im Allgemeinen und die "Bild" im Speziellen haben schon immer ein Eigenleben innerhalb der Presselandschaft geführt. Das Springer-Blatt versteht sich nicht als abbildend, sondern als meinungsbildend und meinungsführend. Dieses Selbstverständnis kann in Kampagnenjournalismus gipfeln - siehe Griechenland, siehe Flüchtlinge, siehe Kachelmann. Mal bewegt sich die Zeitung dabei auf juristisch sauberem Grund, mal nicht. Vor allem aber berichtet sie oft enthemmt und schmerzfrei. Dass die Verurteilung im Fall Kachelmann den Boulevard künftig abschrecken wird, ist daher eher unwahrscheinlich.

Pressekontakt:

Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Original-Content von: Schwäbische Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Schwäbische Zeitung
Weitere Storys: Schwäbische Zeitung