Kurze Beine, kurze Wege: Nach dieser plausiblen Regel können Grundschüler fast überall in der Nähe ihrer Wohnung zum Unterricht gehen – nicht jedoch in Nordrhein-Westfalen. An einem Drittel aller staatlichen Primarschulen ist die richtige Religion ausschlaggebend dafür, ob der Nachwuchs einen Platz bekommt. Denn von den rund 3200 staatlichen Grundschulen im Lande sind 1100 katholisch und 100 evangelisch. So etwas gibt es sonst nur, in geringerem Ausmaß allerdings, in Niedersachsen.

Lange war das kein Problem. "Katholisch, das war bis vor Kurzem nur der Schulname", sagt Anja Niemeier. Zwei ihrer Kinder hat sie schon durch die Katholische Grundschule in Bonn-Buschdorf gebracht, jetzt geht die Jüngste, Ida, dort hin. Es schicken so gut wie alle Buschdorfer, auch Muslime,  ihre Kinder auf die "Katholische". Sie ist nämlich die einzige Schule am Wohnort. Die Niemeiers selbst sind evangelisch.

So ist auch mindestens eine von rund einem Dutzend Lehrerinnen für insgesamt 200 Kinder protestantisch und gibt auch den entsprechenden Religionsunterricht . Ein solches Angebot muss andersgläubigen Kindern an einer nicht-privaten Bekenntnisschule gemacht werden, wenn sie ein Dutzend oder mehr sind. Für Muslime gilt das laut Schulgesetz allerdings bislang nicht, weil ihre Religion kein "allgemein eingeführtes" Unterrichtsfach ist. 

Bei der Anmeldung zum laufenden Schuljahr wurden nun jedoch erstmals fünf Buschdorfer Kinder wegen des falschen Bekenntnisses abgelehnt. Sie mussten Katholiken von anderswo weichen und sich freie Plätze weiter weg im Bonner Stadtgebiet suchen. Das ist kein Einzelfall. Dergleichen droht grundsätzlich an allen staatlichen Bekenntnisschulen an Rhein und Ruhr.

Die Bekenntnisschulen lebten nach dem Ende der Nazizeit wieder auf und wurden in Nordrhein-Westfalen in der später vereinbarten Landesverfassung (1950) nachträglich verankert. In Niedersachsen war ein Staatsvertrag mit dem Vatikan in den sechziger Jahren für diese Form der Schulen verantwortlich.

Sie erheben kein Schulgeld, sondern werden voll vom Staat finanziert, die Gebäude, die Lehrer und der ganze Betrieb. Es handelt sich also nicht um Privatschulen, die ihre Besucher selbstverständlich immer selbst auswählen können. Zu diesen Zuspitzungen an Rhein und Ruhr kam es, weil die CDU/FDP-Landesregierung 2008 im Namen des Elternwillens die freie Wahl der Grundschule in NRW einführte. Eltern können ihre Kinder seitdem in jeder Grundschule der Stadt anmelden. Gibt es deshalb zu viele Bewerber, wählen die konfessionellen Schulen nicht nach Wohnortnähe, sondern nach passender Konfession aus.